The new normal

Program

William Dougherty The new normal

Milica Djordjevic Rdja

Claudio Panariello To Learn the Obscene Art of Suffering Pain

Ensemble Kompositionsauftrag des Schallfeld Ensembles im Rahmen des StAiR (Styrian artist in residence) Programmes 2022 des Landes Steiermark

Misato Mochizuki Chimera

Als wir Ende 2021 unsere Saison 2022 konzipiert hatten, wollten wir in unseren Projekten optimistisch, wenn auch nicht unkritisch, den Folgen von zwei Jahren Pandemie nachspüren, die unser Leben und die Art, wie wir Musik gemeinsam erleben, verändert haben.

Seit Februar 2022 haben Krieg und darauf folgende eskalierende Krisen in der Welt vielen Themen wie „Zerfall / Debris“ und „Nähe“ eine neue und unerwartete Wendung gegeben.

Dadurch ist das Motto dieses Konzerts, „The New Normal“, wahrscheinlich noch drängender und aktueller geworden als zuvor: wo und wie konstituieren wir Normalität in einer Welt, die sich in unvorhergesehenen Wandlungsprozessen befindet? Das titelgebende Stück „the new normal“ von William Dougherty konfrontiert uns mit der Frage nach sozialer Ungleichheit (auf der ganzen Welt wie auch im Heimatland des Komponisten, den USA) und vermittelt dies auf direkte Weise an das Publikum. Dougherty komponiert dazu eine dichte Collage aus ethnomusikologischem Material, Zitaten aus alter Musik und anderen Samples. Die Frage nach Normen und „common ground truth“ beschäftigt auch die Naturwissenschaft, wo der Fund neuer Phänomene wie etwa in der Astrophysik ganze Weltmodelle in Frage stellen kann. Ausgehend von scheinbar objektiven wissenschaftlichen Phänomenen (Oxidation und Hybridisierung) führen uns die Werke von Milica Djordjevic und Misato Mochizuki in den Zwiespalt zwischen Stasis und Veränderung, Vertrautheit und Entfremdung und lassen uns auf emotionale Weise an Transformationsprozessen teilhaben.

Auch Claudio Panariello (Styrian Artist in Residence 2022) führt uns in seinem Stück „to learn the obscene art of suffering pain“ in ein Zwischenreich. Er reflektiert über innere, existenzielle Prozesse des Schmerzes und seiner möglichen Narrativität in unserer Gesellschaft. Dazu entwirft er ein akustisches Modell das den „unmöglichen“ antiphonalen Dialog zwischen Innenwelt und Außenwelt simuliert und lässt ein (menschliches) Instrumentalensemble mit seinem unsichtbaren Doppelgänger – einem von Piezomikrofonen und Lautsprechern angetriebenen Rückkopplungssystem – in Kontakt treten.

„The New Normal“ zeigt die Konfrontation mit dringenden sozio-politischen und existenziellen Themen auf, die wir während der Pandemie sowie in den letzten Monaten vergessen oder völlig neu kontextualisiert haben, und führt diese Auseinandersetzung auf musikalischer Ebene. Vielleicht kann uns so das Erlebnis von Unsicherheit im Hören, das Suchen nach akustischem „common ground“ dabei unterstützen, der Suche nach neuen Normalitäten in unserem Leben gelassener zu begegnen.